Kurz vor dem jüdischen „Neujahr der Bäume“ (Tu BiSchwat) begann der Jüdische Nationalfonds auf Bitten der staatlichen „Israel Lands Authority“ mit vorbereitenden Arbeiten für die Anpflanzung von Bäumen auf dem Land von Beduinen im Be’er Sheva-Tal im Süden Israels. Die Arbeiten wurden begleitet von hunderten von Polizist:innen und Vertreter:innen des Inlandsgeheimdienstes. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Polizeikräften und Bewohner:innen der Region und Beobachter:innen. Bis zum 19. Januar wurden über einhundert Personen verhaftet, darunter mehrere Kinder. Die Protestierenden zündeten ein Auto an und versuchten, ein Zug zum Entgleisen zu bringen.
Die prekäre Lage beduinischer Ortschaften in der Negev Hintergrund der Konfrontationen ist der jahrzehntelange Konflikt zwischen staatlichen und vorstaatlichen Organisationen Israels mit der beduinischen Bevölkerung im Süden Israels. Viele der beduinischen Ortschaften werden von den israelischen Behörden nicht anerkannt ("unrecognized villages") und verfügen deshalb weder über fließendes Wasser noch über elektrischen Strom. Sowohl vom Staat nicht-anerkannte wie auch anerkannte Ortschaften sind mit dem Problem konfrontiert, dass die israelischen Behörden kaum Baugenehmigungen erteilen und immer wieder Gebäude, die dennoch errichtet werden, abreißen. Allein im Jahr 2021 wurden 40 Gebäude zerstört.
Eine herausragende Rolle spielt der Jüdische Nationalfonds (JNF), auf Hebräisch Keren Kayemet Le’Israel (KKL). Dabei handelt es sich um eine vorstaatliche quasi regierungsamtliche Institution, die 1901 gegründet wurde, um Land für eine jüdische Besiedlung zu erwerben. Auch heute erwirbt die Organisation noch Land in Israel und der West Bank, um darauf Bäume anzupflanzen. Deshalb stellt sich der JNF selbst auch gerne als führende Umweltorganisation dar.
Die israelische Regierung und der JNF sind an „Planting Coordination Committees“ beteiligt, also Komitees, die die Baumpflanzaktionen koordinieren. Sie suchen nach Ländereien, die beduinische Ortschaften umgeben oder an diese angrenzen. Dort werden dann Bäume gepflanzt mit dem Ziel zu verhindern, dass sich die beduinischen Ortschaften ausdehnen oder eine rechtliche Anerkennung erlangen. Genannt wird das „Land-Erhaltung“.
Reaktionen aus Zivilgesellschaft und Politik
„Shatil“, der aktionsorientierte Programmbereich des New Israel Fund in Israel, sowie das „Good Neighbors Network“, eine Gruppe jüdischer und palästinensischer israelischer Aktivist:innen, die im Gebiet der Negev-Wüste tätig sind, haben immer wieder Aktionen unterstützt, die diese Übergriffe des JNF auf Land der Beduinen blockieren sollen.
Shatil bezeichnet das Projekt, das jetzt die Konfrontationen auslöste als „einen politischen Akt, der darauf abzielt, die Entwicklung einzuschränken und die Anerkennung von Beduinendörfern zu verhindern" und stellt fest, dass „die Bepflanzung auf Land stattfindet, auf dem die Regierung daran arbeitet, die Beduinen zu enteignen; das Ziel der Bepflanzung ist es, die Ortschaften der Beduinen einzukreisen".
Die betroffenen Beduinen werden auch von der „United Arab List“ (Ra’am) unterstützt, die an der derzeitigen israelischen Regierung beteiligt ist. Viele der Wähler:innen dieser Partei sind Beduinen aus dem Negev. Die Partei hat ihre Abgeordneten im Parlament aufgefordert, sich so lange nicht mehr an Abstimmungen zu beteiligen (und damit der Regierungskoalition ihre Mehrheit zu versagen), bis die Arbeiten des JNF gestoppt sind.
Instrumentalisiert wird der Konflikt vom Likud und anderen Oppositionsparteien. Sie stellen die Beduinen als Gesetzesbrecher dar, die den Negev überrennen und werfen der Regierung vor, nichts gegen deren Gewalt und Terror zu unternehmen. Zieht sich die Regierung aus einem Projekt des JNF zurück, werfen ihr diese Kräfte vor, „Staatsland zu vernachlässigen“ und den „Zionismus zu verraten“.
Shatil fordert zusammen mit Aktivist:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen den sofortigen Stopp und die Überprüfung der Bepflanzungsaktion des JNF. Verschiedene vom New Israel Fund unterstützte Organisationen haben sich für die Anerkennung nicht-anerkannter beduinischer Ortschaften eingesetzt: Bimkom – Planners for Planning Rights, The Regional Council of Unrecognized Villages, The Negev Coexistence Forum for Civil Equality und Shatil.
Eine weitere Organisation, die vom New Israel Fund unterstützt wird, bietet für die bei den Protesten Verhafteten, darunter auch Kinder, rechtliche Vertretung an: ADALAH – The Legal Center For Arab Minority Rights in Israel.
Die Association for Civil Rights in Israel (ACRI), die in herausragender Weise vom New Israel Fund gefördert wird, setzt sich dafür ein, dass die israelische Polizei wegen der von ihr gegen Protestierende angewandte Gewalt zur Rechenschaft gezogen wird.
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