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Über den Kampf der LGBTQ+ Community für Gleichberechtigung

Dieser Text von Rabbi Noa Sattath wurde zuerst am 16. Juni 2022 auf Englisch auf dem Blog des New Israel Fund USA veröffentlicht.


Ich nehme seit zwei Jahrzehnten an den Pride-Demonstrationen in Jerusalem teil. Jahrelang war ich als Leiterin des Jerusalem Open House for Pride and Tolerance und des Israel Religious Action Center [beide gefördert durch den NIF, Anm. d. Red.] direkt in den Kampf für LGBTQ+-Rechte eingebunden. Das war mein Thema. Und die Jerusalemer Pride-Parade war ein Höhepunkt meines beruflichen Engagements. Dieses Jahr, bei der 20. Pride-Parade, marschierte ich zum ersten Mal - neben Tausenden von anderen - nur als Teilnehmerin. Ich habe nichts organisiert. Ich bin mit meinen Eltern und meinen Töchtern mitgegangen. Meine Töchter erkannten jede Fahne und genossen jeden Auftritt. Und ich konnte die Schönheit und Kraft unserer Gemeinschaft erleben.

Rabbi Noa Sattath, Foto: New Israel Fund

Dabei habe ich darüber nachgedacht, dass unsere Gemeinschaft einerseits, jedes Mal, wenn wir im öffentlichen Raum sichtbar sind und Gleichberechtigung fordern, mit schrecklicher Hetze und Gewalt konfrontiert ist. Andererseits haben wir große Fortschritte in der Gleichberechtigung erzielt.

Dazu ein Beispiel. Bei der Eröffnung des Jerusalem Open House vor 25 Jahren berichtete ein Fernsehmoderator eines progressiven Senders - den es leider nicht mehr gibt - über unseren Eröffnungstag, er machte Aufnahmen von unseren Reden, dem Raum und allen möglichen Dingen. Dann aber eröffnete er seinen Beitrag in einer Art und Weise, die mich noch heute zum Lachen bringt. Er sagte: "Wir glauben, dass es in Jerusalem bis zu 400 Schwule und Lesben gibt!" Dieser Vorfall ist gerade mal 25 Jahre her, nicht etwa 200 Jahre.


Und heute, 25 Jahre später, können Tausende von jungen Menschen im ganzen Land ihre Geschlechtsidentität und Sexualität ausleben - dank der Investitionen der israelischen Regierung in LGBTQ-Organisationen wie Iggy und Choshen. Nach jahrelangem Einsatz hat der Oberste Gerichtshof gleichgeschlechtlichen Eltern die Möglichkeit eingeräumt, in Israel Kinder durch Leihmutterschaft zu bekommen. Es gibt sogar einen umfassenden Regierungsplan für LGBTQ+-Israelis, der auch Mittel für die Altenpflege vorsieht.


Ich habe oft das Gefühl, dass die LGBTQ+-Rechte das "Nes HaGalui" (Offenbarungswunder) der israelischen Gesellschaft sind. Wir haben für die Anerkennung gekämpft - und wir haben größtenteils gewonnen! Wir haben eine blühende, vielfältige Gemeinschaft mit zahlreichen Organisationen, die uns alle unterstützen.


Aber dieses rosige Bild ist nur ein Teil der Wahrheit. Es gibt so viele LGBTQ+-Israelis, die sich immer noch bedroht fühlen. Und es gibt so viele andere marginalisierte Communities in Israel, die Unterstützung benötigen.


Dieses Jahr mussten beispielsweise die Organisator:innen einer Pride-Parade in Netivot die Veranstaltung absagen, nachdem sie Briefe mit Patronenkugeln erhalten hatten. Außerdem verbot die Polizei den Aktivist:innen vor Ort, einen Protest für LGBTQ+-Rechte zu veranstalten. Und immer noch werden Menschen nur wegen ihres Geschlechts und ihrer Sexualität getötet. Drei LGBTQ+-Jugendliche wurden in den letzten Jahren bei zwei Vorfällen ermordet - in einem Club in Tel Aviv und bei der Pride-Veranstaltung in Jerusalem.



Menschen mit Regebogenfahnen bei der Pride-Parade in Jerusalem, Foto: New Israel Fund
Pride-Parade in Jerusalem, Foto: New Israel Fund

Und ehrlich gesagt, als wir den Jerusalem Pride March ins Leben riefen, hatten wir eine viel umfassendere Vision von Toleranz und Gleichberechtigung. Eine Vision, die gleiche Rechte für LGBT+ aber z.B. auch für Palästinenser:innen fordert. Damals dachten wir: Wenn wir Akzeptanz für unsere Community erstreiten, würden wir es dann nicht auch anderen marginalisierten Gruppen leichter machen?


Wir haben uns geirrt. Während sich Jerusalem für LGBTQ+-Menschen völlig verändert hat, haben Diskriminierung, Gewalt und die Verweigerung grundlegender Rechte für Palästinenser:innen nur zugenommen.


Der Fakt, dass der Fortschritt in Rechten für LGBTQ+ keine Verbesserung für die Rechte von Palästinenser:innen erbracht hat, hat mir Folgendes gezeigt: Wir müssen unser Engagement für Demokratie und Gleichberechtigung über dieses eine Thema hinaus ausweiten und einen umfassenden Ansatz für die Menschenrechte entwickeln. Unser Kampf für Gleichberechtigung muss alle marginalisierten Gruppen einschließen.

Das ist der Kern meiner heutigen Arbeit als CEO der Association for Civil Rights in Israel (ACRI). Menschenrechte bedeuten Menschenrechte für alle: für LGBTQ+-Personen, für Palästinenser:innen, für Gefangene, für Asylbewerber:innen, für Mizrachi-Israelis, für alle, denen von der Regierung Rechte verweigert wurden. Wir betrachten die Menschenrechte im Gesamtkontext, denn nur so können wir legitim für Gleichheit und Gerechtigkeit für alle kämpfen.

Deshalb treibt ACRI einerseits ein bahnbrechendes Projekt für die Rechte von Transsexuellen voran und verteidigt gleichzeitig das Recht der Palästinenser:innen auf Protest. ACRI setzt sich für die Rechte von inhaftierten Menschen ein und kämpft für sozioökonomische Gerechtigkeit.

Wir haben gelernt, dass eine Bewegung für Gerechtigkeit ganzheitlich sein muss - eine Bewegung, die jeden Kampf als sich überschneidend, miteinander verflochten und voneinander abhängig betrachtet. Wir haben erkannt, dass der einzige Weg zur Befreiung darin besteht, solidarisch zu sein und an der Seite der anderen zu kämpfen. ACRI hat sich in Partnerschaft mit dem New Israel Fund dazu verpflichtet, das große Ganze zu sehen - das gesamte Spektrum der Menschenrechte - und eine Bewegung zu entwickeln, die die Rechte von LGBTQ+ neben den Rechten aller marginalisierten und unterdrückten Gruppen einfordert.


Unterstützen Sie mit Ihrer Spende für den New Israel Fund Organisationen, die sich für LGBTQ+-Rechte und Menschen- und Bürgerrechte einsetzen.

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