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Aktuelle Bildungsarbeit zu Israel/Palästina - Interview mit Jan-Hinrich Wagner, NIF-Bildungsprogramm

Wie nimmst du nach den Hamas Terrorangriffen vom 7. Oktober 2023 und angesichts der aktuellen Eskalation in Nahost und die aktuelle Atmosphäre in den Berliner Schulen war?

Uns erreichen derzeit kontinuierlich Anfragen aus Berliner Schulen sowie aus der Schulverwaltung, mit der Bitte, Schulen mit Bildungs- und Beratungsangeboten zu unterstützen. Das Thema Israel und Palästina ist in den Schulen sehr präsent. Die individuellen Bedarfe und Erfahrungen in den Schulen sind jedoch unterschiedlich. Die Lehrkräfte sind zu einem Gutteil erstmal selbst durch die Situation zumindest emotional betroffen und fühlen sich im Umgang mit Schüler:innen, die sich - teilweise sehr kontrovers - zu dem Krieg äußern, herausgefordert. Sie wenden sich an uns, um mit uns dann daran zu arbeiten. Viele Lehrkräfte berichten, dass Schüler:innen, die sich auf der einen oder anderen Seite positionieren, gleichzeitig oft über wenig konkretes Wissen zu den fraglichen Sachverhalten und Zusammenhängen verfügen.

An einer Schule wurden wir gebeten, bei der Ausrichtung und Moderation eines offenen Elternabends zu unterstützen. Neben den Eltern nahmen auch interessierte Schüler:innen, Ehemalige, Großeltern und einige Lehrkräfte an der Veranstaltung teil. Es wurde diskutiert und zugehört. Trotz weiter bestehender kontroverser Standpunkte herrschte am Ende aber eine große Dankbarkeit für die Chance zum Austausch, zum Dialog. Am Ende der Veranstaltung haben sich dann alle für ein weiteres Treffen nach sechs Wochen verabredet. Daraus resultierend bieten wir den Schulen in Berlin unsere Unterstützung bei der Organisation und Durchführung vergleichbarer Veranstaltungen an.


Jan-Hinrich Wagner, Leiter des NIF-Bildungsprogramms seit 2018. Foto: privat

Was braucht es jetzt?

Jetzt gerade braucht es Bildungs- und Gesprächsangebote. Wir dürfen dabei vor Auseinandersetzungen nicht zurückschrecken, sondern müssen aus unserer Erfahrung den Mut schöpfen und die Werkzeuge kreieren, um auch schwierige Gespräche zu führen und Emotionen und Verzweiflung zu begegnen. Dazu brauchen wir alle dann wohl einen langen Atem.

Auf antisemitische oder andere strafrechtlich relevante Äußerungen müssen die Schulen disziplinarisch reagieren. Wir reden jedoch über Kinder und Jugendliche und hier sollte der pädagogische Anspruch im Vordergrund stehen. Wenn wir es mit demokratischer und gesellschaftlicher Teilhabe der Schüler:innen ernst meinen, müssen wir uns anstrengen, die Jugendlichen in Berlin mit den richtigen Bildungs- und Gesprächsangeboten zu erreichen. Jetzt müssen wir mit Augenmaß in die Räume in den Schulen gehen, in denen wir vor allem Verzweiflung und Hass vermuten. Beide Eigenschaften sind keine günstige Grundlage für einen Dialog. Aber nicht miteinander zu sprechen, kann hier keine Alternative sein.

Den langen Atem werden wir brauchen, um über all die emotionalen Verletzungen reden zu können, die durch den Krieg und die - teils hasserfüllte - Auseinandersetzung in Deutschland in den letzten Wochen verursacht wurden und sehr wahrscheinlich in den kommenden Wochen noch verursacht werden. Ich hoffe sehr, dass wir dafür ausreichend Ressourcen haben werden.


Was ist der Ansatz des NIF-Bildungsprogramms?

Wir wollen die Lehrkräfte dabei unterstützen, Dialoge zu führen und pädagogisch arbeiten zu können. Schüler:innen, die gegenwärtig ausschließlich freiwillig mit uns arbeiten, sollen erfahren, dass Dialog zu dem Thema möglich ist und ihre jeweilige Position darin gehört wird.

Wir bringen bei jedem Gespräch und in jedem Format Perspektiven der Partnerorganisationen des New Israel Fund (NIF) mit. Mit dem Material wollen wir den Schulklassen vermitteln, dass es vor Ort in Israel eine demokratische Zivilgesellschaft gibt, die trotz der schwierigen Lage und der vielen Gewalt den Austausch zwischen jüdischen und palästinensischen Israelis fördert und die sich für Menschlichkeit und Empathie einsetzt. Diese Perspektiven bereichern den Blick der Jugendlichen auf den Konflikt und wirken Schwarz-Weiß-Denken entgegen.


Kontakt: Bei Fragen und Hinweisen wenden Sie sich gerne an uns (bildungsprogramm@nif-deutschland.de).


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